Theaterworkshop mit dem Poetenpack aus Potsdam

Mit dem Poetenpack aus Potsdam – Geschichtsinhalte mit Leben füllen in Zeiten eines wachsenden Extremismus – ein Artikel von Felix Fischer aus dem Jahrgang 10.

Die aktuelle Spielzeit bot „Mein Kampf“ von George Tabori. Doch das „Poetenpack aus Potsdam war nicht allein. Elf Schüler des Windthorst-Gymnasiums und ein Schüler aus Dörpen wirkten auf der Bühne mit. Was wir im Rahmen eines Workshops vorher alles lernen durften, welche Probleme es gab, was uns gefallen hat und vieles mehr, darüber dieser Bericht. 

Ungefähr ein Jahr vor dem Workshop stellte unsere Lehrerin die Frage: Gibt es ein Interesse, an dieser Woche teilzunehmen? Es meldeten sich zahlreiche Schüler, ohne überhaupt zu wissen, was sich da abspielen würde. Ganz davon zu schweigen, dass kaum einer etwas über den Inhalt der Farce von George Tabori wusste. Als es so weit war, wurde ausgelost, wer am Workshop endgültig teilnehmen durfte. Die Auserwählten waren schon sehr aufgeregt. Vor allem angesichts der Tatsache, dass sie in einer Woche vor Menschen auf der Bühne stehen würden. 

Der Inhalt des Stückes stieß zunächst auf eine Mischung aus Verwunderung und fehlendem Verständnis. Dass es sich bei dem Stück um eine „Farce“ handelt und viele Inhalte sehr überspitzt und abstrakt dargestellt werden, erschien auf den ersten Blick seltsam. Doch eben das machte es auch interessanter. Ich denke, eine historisch akkurate Darstellung der frühen Jahre Hitlers wäre uns vielleicht langweilig und irgendwie vorhersehbar vorgekommen. Auf der Internetseite des Poetenpacks heißt es: „George Taboris subversives Verwirr-Stück spielt zu Beginn des 20. Jahrhunderts, zu einer Zeit vor der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft. In einem Männerwohnheim in Wien mietet sich der junge Adolf Hitler ein, um sich an der Kunstakademie zu bewerben. Er trifft auf den jüdischen Buchhändler Schlomo Herzl, der sich mütterlich um den Provinzler zu kümmern beginnt. Er wird zum Schöpfer seiner charakteristischen Barttracht und unterrichtet ihn in demagogischen Kunstgriffen. Im weiteren Verlauf der mitunter grotesken Handlung wird Herzl das erste Opfer des sich allmählich ausprägenden Antisemitismus Hitlers. Im letzten Akt vermittelt Hitler eine Vorahnung von den Auswirkungen seines nunmehr geschulten ‚Talents‘, er macht Jagd auf ein Buchmanuskript von Herzl, in dem er rufschädigende Passagen vermutet. Schließlich verdeutlicht er mit kaum zu überbietender Perfidie, dass er nicht allein das Buch als Archiv von Erinnerungen zu vernichten gewillt ist, sondern auch das Judentum in seiner Gesamtheit. ‚Mein Kampf‘ beschäftigt sich in komödienhafter Form mit dem Trauma der Shoah. Dabei wird Hitler interessanterweise keineswegs als blutrünstiger Dämon, sondern im Gegenteil als unsympathischer, aber nicht durchweg abstoßender Wirrkopf dargestellt. An Brecht und Chaplin anknüpfend, entwickelte Tabori eine Hitler-Figur als komischen Charakter und bezieht sich damit auch auf eine Tradition jüdischen Humors, der er sich verpflichtet fühlt.“ 

So mussten wir die Figuren im Stück, vor allem den Hitler, zuerst besser verstehen und aus anderen Blickwinkeln betrachten, um das Ganze darzustellen und authentisch rüberzubringen. Auf den Auftritt haben uns zwei der Profi-Schauspieler die gesamten fünf 

Tage vorbereitet. Dazu sind wir mit grundlegenden Übungen, wie dem sogenannten „Klatschkreis“ gestartet. Ja, richtig gehört, ein Klatschkreis! Man sich mit mehreren Personen in einen Kreis und beginnt dann in Richtung einer beliebigen Person zu klatschen. Die Person muss dann den Klatsch an eine weitere Person weitergeben. Später kamen immer mehr Bewegungen und Aspekte hinzu, die es uns erschweren sollten den Kreis fortzusetzen. Warum macht man das? Wir konnten so an Aufmerksamkeit, Körperhaltung und Fähigkeit zur Improvisation arbeiten. Das sind gefragte Kompetenzen, die beim Auftreten auf der Bühne sehr wichtig sind. Auch wenn man nur als Statist im Hintergrund auftritt, ist es essenziell, sich flüssig in das Bühnenbild einzufügen. Weitere Übungen bestanden darin, Texte als Gruppe chorisch zu gestalten, und zwar sprachlich wie körperlich. Zwar hört sich das nicht nach einer großen Leistung an, aber wenn ein Text seiner Bedeutung nach präsentiert werden soll, ist das eine wertvolle Fähigkeit. Im Grunde benötigt jeder Redner diese Fähigkeiten. Das „Wie“ eines Vortrages ist nicht selten entscheidender als der eigentliche Inhalt eines Textes. Die Präsenz, die jemanden durch den Klatschkreis und das Reduzieren von Kommunikation auf non-verbale Zeichen schult, verstärkt weiter alles Gesagte. 

Aus dieser Woche konnten wir alle Einiges mitnehmen, und es hat Spaß gemacht. Um ehrlich zu sein, war so ziemlich alles anfangs anders als erwartet. Keiner von uns hat damit gerechnet, dass wir „nur“ zwei Texte zusammen vortragen müssen und eben keine eigenständige Rolle erhalten haben. Und auch die unterschiedlichen Gesangseinlagen waren anfangs irgendwie befremdlich. Wir alle haben uns unter dem Namen „Mein Kampf“ ein viel direkteres und weniger übertriebenes Stück vorgestellt. Auch unserer Rollen als „Engel“, bzw. Repräsentanten des Guten oder als „Schergen“ des Todes kamen unerwartet. Dazu muss man auch erwähnen, dass Einige auf präsente und bedeutende Rollen gehofft hatten. Und nicht unbedingt lernen wollten, wie man einen. Text mit viel Wirkung und gelungener Betonung vorträgt. Aber natürlich erarbeitet man keine unfassbar aufwendigen Rollen innerhalb einer Woche, das wurde klar! Und auch wenn die Erwartungen an die Woche bei uns zunächst anders waren, haben wir die Motivation nicht aufgegeben und konnten viele Aspekte mitnehmen. 

Um ehrlich zu sein war der Workshop mal eine schöne Gelegenheit, Kontrast zum normalen Unterricht zu bieten. Wir mussten nicht den ganzen Tag einfach nur Informationen verarbeiten und einen geregelten Ablauf durchleben. Stattdessen war jeder Tag eine einzigartige Erfahrung. Wir haben viel besser gelernt, wie man zusammenarbeitet oder auch mal kreativ arbeiten muss. Aber das Wichtigste war einfach der Umgang mit dem Anderen! Keiner von uns hätte ohne den Anderen auf der Bühne funktioniert, wir waren aufeinander angewiesen. Diese Kompetenzen lernt man im Schulalltag sonst nicht so einfach. Keine normale Gruppenarbeit erreicht die Zusammenarbeit auf der Bühne. Sie vermittelt Fertigkeiten für das Verstärken des sozialen Miteinander zu stärken. Jeder kennt das, wenn z. B. in einer Gruppe wenige Personen die Arbeit machen und andere keinen Teil zum Ergebnis beitragen. Das ging in dieser Woche einfach nicht. Da sich niemand auf der Bühne blamieren wollte, musste jeder mit dem Gegenüber zusammenarbeiten. Und ich kann bestätigen, dass das funktioniert hat. 

Unsere Truppe war ein Mix aus unterschiedlichen Freundesgruppen plus einer unbekannten Person, die extra aus Dörpen angereist war. Und trotzdem haben alle zusammengearbeitet und einander geholfen, da man einfach dasselbe Ziel hatte. Trotz all dieser guten Eigenschaften hätte es nach Ansicht der meisten nicht geschadet, wenn man uns auf der Bühne ein bisschen mehr zugetraut hätte. Das höre ich auf jeden Fall von den Meisten, mit denen ich über die Zeit rede. Vielleicht etwas mehr Auftreten dort, nur ein Satz, den man sagen sollte. Das, denke ich, hätte den Meisten besser gepasst. Die Bilanz ist trotz dieser Punkte noch gut. Bis zum Ende waren schließlich alle motiviert. 

Der wichtigste Punkt, meiner Meinung nach: die Aktualität dieses Stücks und auch das Einbeziehen von uns, den jungen Leuten! Damit meine ich, dass die Zielgruppe des Theaters älter wird. Es kommen aufgrund moderner Unterhaltungsmedien immer weniger Jugendliche ins Theater. Und dennoch ist es gerade in der jetzigen Zeit wichtig für junge Menschen, Rechtspopulismus und politischen Extremismus zu verstehen. Die Person Adolf Hitler spielt da eine unausweichliche Rolle, die es zu verstehen gilt. Das Theater erscheint mir mit meinen Erfahrungen sehr geeignet, da es Inhalte mit Leben füllt und es keine abstrakten Texte bleiben, die ich verstehe oder eben nicht. Wer auch nur einen Bruchteil aus dem Stück „Mein Kampf“ mitnimmt und reflektieren kann, der ist einfach besser auf aktuelles Geschehen vorbereitet. Vielleicht kann er das Gedankengut eines Hitler besser verstehen. Und der wird auch nicht so schnell auf modernes rechtes Gedankengut hereinfallen. Solche Menschen werden aufgeklärter in die Zukunft gehen und wissen, dass z. B. die Inszenierung und das Auftreten eines Politikers mehr bewirken können als der von dieser Person ausgehende Inhalt. Natürlich ist das Stück nicht unbedingt vollständig zu verstehen. Aber allein der Versuch sich damit zu beschäftigen, würde schon sehr viel ausmachen. Und ich bin mir sicher, dass die Ergebnisse der nächsten Wahlen sich ändern würden, wenn man alle Menschen, vor allem junge Leute, die in ihrem Denken noch sehr formbar sind, mit solchen Stücken konfrontiert würden. 

Felix Fischer – Jahrgang 10 – Windthorst-Gymnasium Meppen