„Wir können nicht mehr leisten“

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Ärger über Mehrarbeit an Gymnasien im Emsland – Kein Boykott von Klassenfahrten

Die von der niedersächsischen Landesregierung beschlossene Mehrarbeit sorgt an vielen Gymnasien im Emsland für Ärger. Konkrete Pläne zum Boykott der Klassenfahrten, die es an anderen Schulen im Land schon gibt, gibt es aber nicht.
„Die Stimmung im Kollegium ist gereizt“, sagt Michael Heuking, Leiter des Gymnasiums Haren. Dennoch habe bisher kein Lehrer die Absicht, die Klassenfahrten zu boykottieren. Er empfinde einen solchen Boykott ohnehin eher als symbolische Aktion. „Es wäre ein Hilfeschrei. Wir können wirklich nicht mehr leisten“, sagt Heuking.
Ähnlich sieht das Ute Lott, Leiterin des Windthorst-Gymnasiums in Meppen. „Die Kollegen bekommen immer mehr Aufgaben.“ Darum werde an der Schule das Thema diskutiert. „Auch über den Boykott wird gesprochen. Noch ist aber nicht geplant, Fahrten ausfallen zu lassen.“ In die gleiche Kerbe schlägt Leo Pott, Leiter des Gymnasiums Marianum in Meppen. „Das Kollegium ist verärgert. Das ist eine Lohnkürzung durch die Hintertür.“
Auch Norbert Schlee-Schüler, Leiter des Kreisgymnasiums St. Ursula in Haselünne, hat „noch nicht von Tendenzen gehört“, dass Lehrer an der Schule planen, an dem Boykott teilzunehmen.
In einem sind sich die Schulleiter im mittleren Emsland einig: dass sie ihren Protest nicht auf dem Rücken der Schüler austragen wollen. Alle Kollegen seien mit Herzblut bei der Sache. „Schule kann man nicht mit Dienst nach Vorschrift machen“, sagt Michael Heuking.
Ähnlich sehen es die Schulleiter im südlichen Emsland. Die Entscheidung der Landesregierung sorgt auch am Leoninum in Handrup sowie am Georgianum und am Franziskusgymnasium in Lingen für Diskussionen. „Derzeit gibt es keine konkreten Pläne, freiwillige Zusatzarbeiten oder Klassenfahrten deswegen zu streichen“, erklärte Manfred Heuer, Leiter des Georgianums. Dies ist laut dem Vorsitzenden des niedersächsischen Philologenverbands bislang an landesweit 15 Schulen geplant. „Wir gehören auf jeden Fall nicht dazu“, sagt Karl-Heinz Ossing, stellvertretender Leiter des privaten Franziskusgymnasiums. Er sieht allerdings „Bedarf, auf politischer Ebene die Arbeitsbelastung zu verdeutlichen“.
Aus diesem Grund seien Lehrer der Schule bei der Demonstration vor dem Landtag in Hannover dabei gewesen. Ebenso wie Kollegen vom Leoninum in Handrup. „Beeindruckend war, dass sich dort auch Lehrer anderer Schulformen mit dem Protest solidarisiert haben“, erklärte Paul Wöste, stellvertretender Leiter der Schule in Trägerschaft der Herz-Jesu-Priester.
In einem stimmen die Vertreter aller drei Gymnasien mit ihren Kollegen aus Meppen und Umgebung überein: Notwendige Entscheidungen sollen nicht zulasten der Schüler gehen. Zudem sollten mögliche Maßnahmen auch mit den anderen Schulen abgestimmt werden. „Dazu sind in Kürze Gespräche mit den Kollegen im Altkreis Lingen und in Meppen geplant“, sagte Jürgen Visse von der Mitarbeitervertretung am Georgianum.
Rebellischer ist die Stimmung innerhalb des Lehrerkollegiums am Gymnasium Papenburg. Zwar ist noch nichts beschlossene Sache, doch demnächst soll in einer Personalversammlung die bislang freiwillige geleistete Mehrarbeit zur Diskussion gestellt werden. Das ginge zwar auch auf Kosten der Schüler, doch, so Thomas Schwertfeger vom Personalrat: „Wir Lehrer als Beamte haben kein Streikrecht. Wir müssen andere Mittel und Wege suchen, unserem Protest Ausdruck zu verleihen.“ Ziel sei es, „die Eltern, die ja Wähler sind, mit ins Boot zu holen“.
Dass das Zusatzangebot über Klassenfahrten und Arbeitsgemeinschaften bei Einführung der Mehrarbeit nicht aufrechtzuerhalten sei, sagt auch Kerstin Helmes vom Personalrat des Gymnasiums in Werlte. Denn, so Helmes: „Eine Stunde mehr Unterricht bedeutet auch eine Stunde mehr Vor- und Nachbereitungszeit.“ Die Konsequenz: Das Schulleben würde ärmer werden, Aktivitäten wie „Jugend forscht“, Theater- und Musikgruppen, die Lehrer in der Freizeit betreuen, wären nicht oder nur eingeschränkt machbar.
Am Hümmling-Gymnasium in Sögel soll bis auf Weiteres aber das bestehende Angebot erhalten werden. „Kurz- und mittelfristig wird es zu keinen Streichungen kommen“, sagt Personalrat Georg Jansen. Die verringerte verfügbare Zeit müsste aber anderswo gewonnen werden. Zum Beispiel, indem die Schüler keine mehrseitigen – und damit korrekturaufwendigen – Aufsätze mehr schreiben. Der Bildungsqualität im Land sei das zwar nicht förderlich, sagt Jansen, aber es wäre eine logische Konsequenz. „Das sind keine Protest-, sondern Notwehrmaßnahmen, um irgendwie klarzukommen.“

Quelle: Meppener Tagespost vom 05. Nov. 2013

Text: C. van Bevern, N. Buchholz und K. Frei


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