Wegen WM später zur Schule? „Ein irrer Vorschlag“

Veröffentlicht am

Schulleitungen im mittleren Emsland gegen späteren Unterrichtsbeginn

schulbeginnwm

Ausschlafen nach einem langen Fußball-Abend während der WM in Brasilien? Im mittleren Emsland werden die Schüler vermutlich nicht in diesen Genuss kommen. Denn eine Umfrage unserer Zeitung hat ergeben, dass ein späterer Unterrichtsbeginn an den meisten Schulen nicht infrage kommt.
Wie berichtet, überlässt es die niedersächsische Landesregierung den Schulen, ob das Pauken nach späten Spielen am nächsten Morgen später beginnt und die Schüler nach möglicherweise langen Fußballabenden mehr Schlaf bekommen. „Ich bin mir ganz sicher, dass die Schulen – wie bei vorausgegangenen sportlichen Großereignissen – verantwortliche Lösungen erarbeiten werden, die dem jeweiligen örtlichen Bedarf Rechnung tragen und die schulischen Erfordernisse berücksichtigen werden“, teilte Niedersachsens Kultusministerin Frauke Heiligenstadt (SPD) mit.
Ute Lott hat von dem Vorschlag aus der Zeitung erfahren. Im ersten Moment hielt sie ihn für einen „verspäteten Aprilscherz eines Fußball begeisterten“. Eine Verwirklichung der Idee findet die Leiterin des Meppener Windt horst-Gymnasiums „nicht im Interesse unserer Schüler und Eltern“. Der Vorschlag zeuge auch von Unwissen um die organisatorischen Gegebenheiten an den Schulen: eine hohe Zahl von Schülern, die mit dem Bus kommen, und eine hohe Zahl von Schülern, deren beide Eltern ebenfalls einen frühzeitigen Arbeitsbeginn haben. „Wo bleibt da die verlässliche Schule?“, fragt Lott. Abgesehen davon müsste, würde der Vorschlag während der Fußball-WM umgesetzt, ähnlich bei Tennisfinalen, Skiwettbewerben, Olympischen Spielen oder Schützenfesten verfahren werden.
Als begeisterter Fußballfan findet Georg Jansen einen späteren Unterrichtsbeginn nach Spielen der deutschen Nationalmannschaft mit sehr späten Anstoßzeiten während der WM in Brasilien reizvoll. Allerdings seien die organisatorischen Hürden recht hoch. „So müssten wir in Meppen schon eine einheitliche Regelung für alle weiterführenden Schulen finden und gleichzeitig den Träger der Schülerbeförderung mit in die Planungen einbeziehen.“ Auch die Aufsicht für die Schüler, die trotzdem früher zur Schule kommen, weil nicht alle Eltern morgens zu Hause bleiben können, stelle eine Hürde dar, so der Leiter der Meppener Johannesschule. Letztendlich enden die deutschen Spiele alle spätestens gegen Mitternacht, „sodass jeder noch sechs Stunden Schlaf bekommen kann“. Deshalb stellt sich die Frage nach späterem Unterrichtsbeginn für Jansen „nicht wirklich.“
An der Geschwister-Scholl-Schule in Twist hat die Schulleitung bisher noch keine Entscheidung zu dem Thema getroffen. Konrektorin Angelika Viol weist jedoch ebenfalls auf die organisatorischen Hürden hin, die ein späterer Unterrichtsbeginn mit sich bringen würde. „Bei uns fahren in der Regel keine Busse zur zweiten oder dritten Stunde.“ Gerade in Geeste sei es für viele Schüler ein Problem, die Schule ohne Bus zu erreichen, „Die Ortschaften hier sind teilweise sehr weit weg. Darum nutzen die meisten den Bus.“ Schon wenn vereinzelt die erste Stunde an der Oberschule ausfalle, müssen einige Schüler trotzdem den Bus zur ersten Stunde nehmen und warten.
Absurde Idee
Der Schulleiter des Gymnasiums Haren, Michael Heuking, hält die Idee vom späteren Unterrichtsbeginn grundsätzlich für absurd. Er findet deutliche Worte: „Das ist ein irrer Vorschlag.“ Es sei für die Schule schlicht und einfach nicht praktikabel. „Vielleicht können sie im Kultusministerium ja später anfangen. Bei uns geht das nicht.“ Die Schüler müssen sich also entscheiden: Entweder schauen sie das Spiel bis zum Ende und kommen mit weniger Schlaf in die Schule, oder sie verzichten darauf, das komplette Spiel zu sehen.
Ohnehin werden die Spieler der deutschen Nationalmannschaft an den heimischen Bildschirmen nur selten bis tief in die Nacht zu beobachten sein. Zwei Partien der Gruppenphase beginnen um 18 Uhr und sollten damit gegen 19.45 Uhr beendet sein. Ein weiteres Spiel der Gruppenphase beginnt um 21 Uhr. Da diese Partie aber am Samstag ausgetragen wird, können die Schüler am darauf folgenden Sonntag ausschlafen. Lediglich in den Spielen der K.-o.-Runde könnten Begegnungen der DFB-Elf um 21 oder 22 Uhr angestoßen werden.
Der Anstoß zu dieser Diskussion stammt aus Bayern: Hier forderte der bildungspolitische Sprecher der Grünen im Landtag, Thomas Gehring, dass der Unterricht erst später beginne. „Wenn Begegnungen während der Fußball-WM in Brasilien erst spätabends nach 22 Uhr deutscher Zeit angepfiffen werden, sollen Schulen den Unterrichtsbeginn nach hinten schieben dürfen.“
Ein späterer Unterrichtsbeginn nütze nicht nur den Kindern, sondern auch den Lehrerinnen und Lehrern, die dann nicht vor einer gähnenden Klasse unterrichten müssten.

Quelle: Meppener Tagespost vom 21. Mai 2014

Text: C. Alge, N. Buchholz

Archivfoto: W. Scholz


Durch die weitere Nutzung der Seite (u.a. Scrollen, Navigieren) stimmst du der Verwendung von Cookies zu. Weitere Informationen

Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen. Wenn du diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwendest oder auf "Akzeptieren" klickst, erklärst du sich damit einverstanden.

Schließen