Douai-Austausch 2015: Die Belfriede – der Stolz von Frankreichs Norden

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Das Erklimmen der Belfriede hatte sich gelohnt: Das gute Wetter während des Austausches ließ Douai und dessen Umgebung in hellem Glanz erstrahlen; davon später mehr.


Text: U. Popko; Fotos: M. Dulle, U. Popko
Unsere französischen Gäste unter der Leitung von M. Couche und M. Baqué waren vom 11.-18.02. in Meppen. Das Wetter war zwar nicht so optimal, was unsere französische Gäste jedoch nicht da-von abhielt, am Wochenende eine Variante deutschen Frohsinns zu genießen: den Emslandkarneval.
Am 12.02. fand der Besuch im Meppener Rathaus statt. Der Empfang durch die stellvertretende Bürgermeisterin Frau Evers und Frau Holzapfel vom Kulturamt der Stadt war sehr freundlich und informativ. Hier stellten die Gäste einen markanten Unterschied zwischen dem Rathaus in Douai und Meppen fest: Der schützende Belfried in der Nähe des Rathauses, der vor Feuer und heranna-henden Feinden warnte, fehle in Meppen völlig.

Dörpen, Papiererlebniswelt (Foto: Dulle 2015)

Dörpen, Papiererlebniswelt (Foto: Dulle 2015)

Am 13.02. fuhren die deutschen und französischen Schüler zum Heimathaus in Dörpen in die Pa-pier-Erlebniswelt. Mit großer Aufmerksamkeit verfolgten alle Schüler die theoretischen Ausführungen zur Papierherstellung per Hand; mit großer Freude stellten sie anschließend selbst Papier mit ausgewählten Wasserzeichen und eigene Drucke her.

WGM, Mensa: Karneval    (Foto: Dulle 2015)

WGM, Mensa: Karneval (Foto: Dulle 2015)

Am Abend des 13.02. fand in der Schule eine Karnevalsfeier mit Verkleidung statt. Auch die anwesenden Lehrkräfte waren verkleidet – selbstkritisch bleibt anzumerken: nicht so einfallsreich wie die Schüler. Das Programm wurde sowohl von Lehrern als auch Schülern gestaltet. Hier zeigte sich deutlich, dass sich die Schüler nicht „berieseln“ lassen wollten, sondern zu 70% ein eigenes Programm mit Gruppenaktivitäten durchführten.
Der Samstag/Sonntag (14./15.02) gehörte den Familien. Die Schüler nahmen an Familienbesuchen und Aktivitäten in der näheren Umgebung der jeweiligen Heimatorte teil.
Genau wie der Donnerstag nach dem Rathausbesuch war der Montag Arbeitstag für die französi-schen Schüler. Sie hospitierten im Unterricht und trafen sich mit den französischen Lehrern, um Schulstoff nachzuholen, der in ihrer Abwesenheit von ihren Mitschülern in Douai erarbeitet wurde.
Der Montagnachmittag stand ganz im Zeichen des Karnevals; nach dem Unterricht schauten die Schüler Umzügen in ihren Heimatorten zu.
Der Dienstag (17.02.) war wieder ein Reisetag. Es ging nach Osnabrück zum Eislaufen, zu einem kleinen Einkaufsbummel (neudeutsch „Shoppen“) und zum Felix-Nussbazweium-Haus. Lobenswert die Führung durch das Felix-Nussbaum-Haus: Hier wurden exemplarisch einige Werke Nussbaums interpretiert. Allen Beteiligten wurde eindrucksvoll bewiesen, wie der Künstler seine Zerbrechlichkeit, seinen Stolz, seine Unbeugsamkeit gegenüber einem menschenverachtenden System zum Aus-druck brachte, dessen Machthaber und Mitläufer sich im Gefühl sonnten, einer Herrenrasse anzugehören.
Der letzte Abend wurde in den Familien verbracht; Abreisetag der französischen Gäste war Mitt-woch, der 18.02.

Gruppenbild (Foto: Popko 2015)

Gruppenbild (Foto: Popko 2015)

Zwei Monate später waren wir in Douai. Eine Woche Sonnenschein, nicht nur wettermäßig, sondern vor allem aufgrund der herzlichen Aufnahme bei unseren französischen Gästen.
Pünktlich um 15.00 Uhr kamen wir am 15.04. am Collège Streinger an. Wie immer wurden wir sehr herzlich in der Schule empfangen.

Am Donnerstag, 16.04., hospitierten unsere Schüler im Unterricht und trafen sich mit uns im Fachraum des französischen Kollegen, M. Couche. Hier berichteten die deutschen Schüler von ihren ersten Erfahrungen in den Familien. Wir erläuterten das Programm für die Woche. Anschließend hospitierten die deutschen Schüler im Unterricht.

 

 

 

 

 

 

 

 

Douai, Beffroi (Foto: Popko 2015)

Douai, Beffroi (Foto: Popko 2015)

Douai, Beffroi: Besucherzentrum  (Foto: Dulle 2015)

Douai, Beffroi: Besucherzentrum (Foto: Dulle 2015)

Am Nachmittag besichtigen wir nach einem kleinen Rundgang durch das Stadtzentrum von Douai den Beffroi (Belfried). Der Beffroi war – wie noch im Jahr zuvor – keine Baustelle mehr, sondern zu einem einladenden Besucherzentrum fertiggestellt worden: große Schautafeln an den Wänden, filmische Darstellungen und eine kompetente Hostesse, Stéphanie, die uns den Beffroi erläuterte.
Jener Wachturm oder Belfried war bis ins 19. Jahrhundert hinein das, was man heute als Warn- und Sicherheitszentrum bezeichnen würde. Wachen befanden sich im obersten Geschoss des Belfrieds. Von dort hatten sie den Überblick über die gesamte Stadt und bis weit ins Land hinein. Feuer in der Stadt konnte schnell gesichtet werden, desgleichen Wasserstände, Sturmschäden und herannahende Feinde, so dass die Stadttore schnell geschlossen werden konnten. Gewarnt wurde mit Glocken-schlägen, die bestimmte Signalfolgen für unterschiedliche Gefahren abspielten. Im Laufe der Zeit wurden mehrere Glocken installiert, deren Schlegel mit Drähten verbunden waren und zu einer „Orgel“ führten, von wo aus die einzelnen Glocken zum Klingen gebracht werden konnten. Daraus entwickelte sich eine Kunstform, die heute noch intensiv gepflegt wird. In ganz Nordfrankreich finden im Laufe des Jahres Glockenspielwettbewerbe statt. „Glockenspieler“, carillonneur, ist ein Ausbildungsberuf.
Nach der Besichtigung des Beffroi wurden wir im Rathaus empfangen, diesmal vom neu gewählten Bürgermeister persönlich, M. Chéreau. Teile seiner Begrüßung hielt er auf Deutsch; er war sehr interessiert an den bisherigen und weiteren Aktivitäten der Austauschgruppe.

Lille, Grand' Place (Foto: Dulle 2015)

Lille, Grand‘ Place (Foto: Dulle 2015)

Lille, Palais des Beaux Arts (Foto: Popko 2015)

Lille, Palais des Beaux Arts (Foto: Popko 2015)

Am Freitag, 17.04., ging es nach Lille. Nach einer kleinen Führung durch die wunderschöne Altstadt mit vielen restaurierten Gebäuden aus dem 18. und 19 Jahrhundert besichtigten wir Le Palais des Beaux Arts. Hier finden sich die Originale flämischer und französischer Maler und Bildhauer aus dem 17.-19. Jahrhundert, die sonst nur in Büchern zur Kunstgeschichte zu sehen sind: Breughel, Rubens, Delacroix, Courbet, Monet … Wir hatten das Glück, dass parallel zu den Originalen der bedeutenden Künstler Verfremdungen der deutschen Künstlergruppe „interDuck“ zu sehen waren. Die Dame, die uns einige bedeutende Werke erläuterte, bezog die Verfremdungen mit ein, so dass Maltechnik und Intention der Originale besser verstanden wurden.
Nach der Führung durch das Kunstmuseum blieb ein wenig Zeit zum Flanieren und zum Kauf von Souvenirs in Lille.
Abends dann die Fete im Foyer der Schule. Diesmal ohne Verkleidung, aber mit dem gleichen Elan wie in Meppen. Da sich die Schüler schon kannten, organisierten sie Gruppenspiele und Tanzeinlagen in Eigenregie. Alles in allem eine spaßige Veranstaltung!
Das Wochenende (18./19.04.) war den Familien gewidmet. Die Schüler berichteten am Montag von Ausflügen in die nähere Umgebung von Douai und Verwandtenbesuchen und Familienfeiern.
Montag war Arbeitstag. Zunächst sahen alle den Film Merry Christmas (Regie: Christian Carion; Erscheinungsjahr: 2005), der die Sinnlosigkeit nationalen Größenwahns, gepaart mit einer totalen Vernichtungsideologie, die sogar von der Kirche unterstützt wird, drastisch vor Augen führt. Der Film diente als Vorbereitung auf die Besichtigung des während des I. Weltkriegs errichteten Tunnelsystems der „Carrière Wellington“, die wir am Folgetag sehen sollten.
Im weiteren Verlauf des Tages erstellte unsere Gruppe Reisetagebücher und hatte gegen Ende der Mittagspause Gelegenheit, unter der Leitung von M. Baqué die Kletterwand der Schule auszuprobieren. Etliche Schüler der Gruppe nahmen die Herausforderung an.

Collège Streinger, Turnhalle mit Kletterwand (Fotos: Popko 2015)

Collège Streinger, Turnhalle mit Kletterwand (Fotos: Popko 2015)

Plakataufschrift: „Jeden Tag gewinnen 2000 Leute gegen den Tabak. Warum ihr nicht auch?“ (Fotos: Popko 2015)

Plakataufschrift: „Jeden Tag gewinnen 2000 Leute gegen den Tabak. Warum ihr nicht auch?“ (Fotos: Popko 2015)

Der Raum der Turnhalle, in dem die Kletterwand untergebracht ist, enthält neben der Möglichkeit der sportlichen Ertüchtigung auch viele Aufforderungen zu einer gesunden Lebensführung. Plakate gegen Alkoholmissbrauch, Cannabis- und Tabakkonsum hängen an den Wänden.
Am Dienstag, 21.04., fuhren die deutschen Schüler mit ihren begleitenden Lehrern und M. Couche nach Arras. Zunächst besuchten wir die Carrière Wellington. Hier bekamen die Schüler einen ein-drucksvollen Einblick in die letztlich erfolgreichen Verteidigungsbemühungen der in Arras statio-nierten Soldaten während des I. Weltkriegs, unter anderem eines Regiments aus Neuseeland. Die carrières waren Steinbrüche, die insbes. im 17. und 18. Jahrhundert Baumaterial für Häuserbauten in Arras lieferten. Die bis zu 12 Meter tiefen Zugänge, die in der Stadt verteilt waren, wurden geöffnet und durch ein Tunnelsystem erweitert, das unter der Erde unter den deutschen Verteidigungslinien um Arras hindurch hinter den Linien ans Tageslicht führte, um von dort aus Überraschungsangriffe zu starten. Detailgenau wurden die Baumaßnahmen geschildert: So wurde das Tunnelsystem per Hand mit Picke und Meißel erstellt, um Lärm zu vermeiden.
Im Foyer des Museums fand eine Ausstellung französischer Künstler statt, die aus Munition und zerstörtem Kriegsgerät des I. Weltkriegs Skulpturen erstellt hatten: ein Hinweis darauf, dass der Verwendungszweck von Metallen eigentlich ein friedlicher sein sollte. Die Botschaft des am Tage zuvor gesehenen Films wurde auch hier wieder deutlich.
Nach der Carrière Wellington besichtigten wir den Beffroi von Arras. Aufgrund des sonnigen Wet-ters hatten wir auch hier einen herrlichen Rundblick auf die Stadt und die Umgebung. Anschließend blieb noch ein wenig Zeit zur Einkehr in eines der vielen Cafés oder zum Bummel durch die Alt-stadt. Gegen 16.00 Uhr waren wir wieder in Douai.
Am Mittwoch, pünktlich um 7.45 Uhr, wartete bereits unser Bus auf uns. Der Abschied fiel schwer, es floss sogar die eine oder andere Abschiedsträne, aber dann ging es ohne große Verzögerungen zurück nach Meppen.
Fazit: Ein gelungener Austausch, der hoffentlich in den nächsten Jahren wie gehabt stattfinden kann. Eines soll jedoch nicht verschwiegen werden: Diesmal bestand die Gruppe nur aus 15 Schülern. Alle Beteiligten hoffen, dass die Gruppe in den nächsten Jahren wieder größer sein wird. 70 Jahre nach Beendigung des II. Weltkriegs ist der Austausch zwischen Deutschen und Franzosen zur Selbstverständlichkeit geworden; er sollte weiter bestehen bleiben, denn: Gute Freundschaften wol-len gepflegt sein.

 


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