Lebensgieriger Sterbekult
„King Kongs Töchter“ im Meppener Theater
Morbide Lebendigkeit und lebensgieriger Sterbekult – so lässt sich umreißen, was die jungen Akteure der Theater-AG des Meppener Windthorstgymnasiums als reife darstellerische Leistung in gelungener Gratwanderung zwischen frivol-frecher Sprache und dramatisch-ernster Deutlichkeit auf die Bühne gebracht haben.
Mit Feinfühligkeit für die Brisanz des Schauspiels von Theresia Walser gelang es der Regisseurin Ellen Bechtluft, ihre äußerst engagierten Schauspieler so heranzuführen, dass sie ihre Rollen trotz ihrer Jugend nicht nur spielten, sondern in jeder Bewegung überzeugend authentisch verkörperten – faszinierend, wie sie in ein bis zwei Generationen älteren Rollen agierten. Solches Verständnis ist nur möglich, wenn eine bis ins Detail entsprechende Auseinandersetzung vorausgeht.
„King Kongs Töchter“, die Pflegerinnen (Franziska Rolfs, Marie Hemelt und Anne Agnesmeyer), sind ebenso gefangen in der Welt geistigen Verfalls und körperlichen Siechtums, können beides ebenso wenig aufhalten oder gar umkehren wie die Bewohner (Kristin Draeger, Meike Roth, Yannik Kathmann, Mareike Willems, Maik Steffens, Melissa Koning). Kaum können sie sich vom Geschehen distanzieren, möchten abends ihre Hände ablegen wie Werkzeug, um nicht die eigenen Haare mit denselben Händen zu kämmen, mit denen sie ihre Pflegetätigkeiten verrichten. Sie kompensieren mit wilden Fantasien, markanter bildhafter Sprache, wollen das Besondere.
Der Herausforderung des Todes begegnen die jungen Akteure mit Initiative, nehmen das sonst kaum bemerkte Sterben der Bewohner selber in die Hand und inszenieren es hingebungsvoll als Hollywoodakt.
Ihre Dialoge bleiben jedoch ebenso Monologe wie die der Alten, die zwar unter einem Dach wohnen, an einem Tisch sitzen und gemeinsam essen, deren Welten sich aber kaum berühren und deren Bedürfnisse, Erleben und stereotype Äußerungen letztlich für sich allein bleiben.
Die eigenen Hinfälligkeiten bestimmen das Denken, nichts ist mehr peinlich, Sterben erschüttert nicht mehr, die Figuren sind ersetzbar. Hier und da brechen der Lebenshunger und unerfüllte Wünsche hervor, die Sehnsucht nach Liebe und Berührung und das Klammern an das, was sie einmal in der Welt waren. Das Lächeln ist fort, wenn die Zahnprothese ins Glas kommt. Auch der jungen Abenteurer (Yannick Peters), der für einen Moment das verlorene Leben aus der Welt draußen hereinzubringen scheint, entkommt dem nicht.
Aufblendungen am Rande als Gegenpart zeigen eine Tochter (Marie Rathmann) unter Palmen; sie schreibt ihrer Mutter, aber ohne Zuwendung, in ihrem Lebensgenuss weit „draußen vor der Tür“.
Überdeutlich wird beim Namen genannt, mit Esprit und Wortspiel amüsant an den Zuschauer gebracht – generationsübergreifend auf wie vor der Bühne, geeignet für Abend- wie für Schüler-Aufführungen. Zu lachen gibt es viel, aber nichts ist lächerlich.
Quelle: Meppener Tagespost vom 15. Okt. 2012
Text und Bild: P. Heidemann